Wochenflugtage, sogenannte WTFs, sind organisierte Flugtage unter der Woche, welche in Amlikon 2 bis 3 mal pro Saison vorkommen. Schon vor dem Briefing am Freitagmorgen erzählt mir Stefan, er wolle bis Sonntag auf Wandersegelflug gehen mit seinem Ventus und mit einem Augenzwinkern deutete er an, er könnte auch den Arcus nehmen statt des Einsitzers. Wasserkuppe und dann Richtung Österreich zu Bekannten hiess es und warum soll ich da nicht mitfliegen sollen? Zeit habe ich ja bis Sonntagabend.
Freitag: Zur Wiege des Segelflugs, Schwarz- und Odenwald
Alles blau in Amlikon, man kennt es ja im Hochsommer. Also hoch mit der Winde und einen Versuch wagen. In der Luft fährt jedoch schnell der Motor aus und mit lauter Thermik wird in Richtung Norden gebrrrrt, Industrie Singen müsste gehen. Wir sind zu früh, mit Abgleiten in Richtung Binningen wird der Suchbereich etwas vergrössert und siehe da, an einem der alten Hegauer Vulkane bewegen sich die Luftmassen ein erstes Mal deutlich. Zwar nach unten aber wo’s runter geht geht’s ja bekanntlich auch irgendwo hoch, allerdings nicht da wo wir suchen. Einige Minuten später brrrren wir erneut, Richtung Geisingen. Nun Anschluss an die Thermik, na endlich. Unser Plan ist auf der Alb hochsteigen und dann via Schwarzwald wo es Wolken hat nach Norden zu fliegen. Im Bereich Rottweil sehen wir rechts von uns Staubfahnen die in die Höhe ziehen. Also Kursänderung? Natürlich, das betrachten wir uns aus der Nähe. Schon beeindruckend wie viel Energie in so einem Aufwind steckt und dies seltenerweise mal sichtbargemacht. Nun aber ab in den Schwarzwald. Der geht ganz gut und Cumuli zeichnen unseren Weg. Vor Pforzheim wird es aber wieder blau. Seltene Fetzen markieren uns den Weg zu den weit entfernten Wolken Richtung Odenwald. Der Odenwald zeigt uns was er kann und markiert mit saftigen Cumulanten die Aufwinde bis auf eine Höhe von fast 3000 m. Ohne Probleme folgten wir denen und weichen gekonnt den gesperrten Lufträumen aus bis zur Wasserkuppe. Aufgrund unserer Höhe können wir die Umgebung noch etwas erkunden und entdecken grosse Salzberge aus dem Kalisalzbergbau, interessant was man hier so alles aufschüttet.
Wasserkuppe, besuchen und erleben
Abkreisen und Landen funktioniert wie immer, Stefan informierte sich schon im Vorhinein wo unser Stellplatz sein sollte und so ist es für uns ein Kinderspiel am richtigen Ort zu landen und gleich an den Stellplatz zu rollen. Ah nein, das passiert am nächsten Tag! Auf der Wasserkuppe wird mit dem Segelflieger immer kurz gelandet, nach dem markierten Lande-T auf der Graspiste und zwar immer bergauf. Dann kann der Flieger zum Verzurrplatz gebracht werden, dieser ist in der Nähe des Restaurants und nicht wie vorgängig abgeklärt im unteren Bereich der Piste. Dies führen wir wie kommuniziert aus. Nun ja unsere sehr kurze Landung hätten wir auch etwas länger machen können und den Flieger etwas weniger rumziehen. Flieger hingestellt und uns angemeldet suchen wir nach dem gebuchten Hotel. Schnell gefunden war das Gebäude auf der Website, von einer Rezeption oder Anmeldung aber keine Spur. Nach etwas rumfragen und -laufen werden uns die Schlüssel ein Haus nebenan überreicht. Nach einem Panache im Hotelrestaurant melden wir uns ab um beim Flugplatzrestaurant zu essen. Beim Hinsetzen fragt uns eine Angestellte, was uns den dahin führe? – Na das Personal! – Es sei Selbstbedienung und sowieso, es gebe nur noch flüssiges um diese Zeit (ca. 19:00 Uhr). Also noch ein Panache. Eine ausgezeichnete Selbstbedienung haben sie schon, das muss man sagen, sogar das Personal wird aus der Schweiz eingeflogen! Jens, ein Fluglehrer aus Zwickau welcher morgen auf der Wasserkuppe schult, gesellt sich zu uns. Ein weiteres Panache? Nach heiteren Gesprächen über den Flugplatz, die morgige Strecke und interessanten Einblicken in die Wellengebiete entlang der tschechischen Grenze, ist für uns doch langsam Essen angesagt. Jens zieht von dannen, wir bedankten uns für die freundliche Bedienung mit grosszügigem Trinkgeld und begeben uns zurück zum Hotelrestaurant, hier wird uns eine Speisekarte überreicht.
Wasserkuppe bedeutet auch segelfliegerische Historie. Hier nahm der deutsche Segelflug seinen Anfang, später wurde der Berg militärisch von den Deutschen, den Amis, und wieder den Deutschen benutzt. Alte Gebäude aus der Weltkriegszeit und eine Radarkuppel aus dem Kalten Krieg sind zu finden. Nebenan befindet sich das Fliegerdenkmal welches 1923 errichtet wurde und an die gefallenen Kampfpiloten aus dem ersten Weltkrieg erinnert. In der Abenddämmerung besichtigen wir die Sehenswürdigkeiten, das Segelfliegermuseum ist allerdings schon geschlossen, einen Einblick erhaschen wir aber auch hier.
Samstag: Ab zu Bekannten, Thüringer und Bayrischer Wald
Alles blau auf der Wasserkuppe? Nein, hohe Bewölkung und Gewitter in der Ferne trüben den Blick gegen die Sonne. Mal schauen wie es sich entwickelt. Gegen Mittag wollen wir in die Luft, der Weg Richtung Österreich ja nicht hammermässig prognostiziert und es sind doch 350 km zwischen uns und dem Ziel. Jens teilt uns seine Meinung mit, die Thermik soll mittags losgehen und die hohe Bewölkung wird bis dann weg sein. So ganz trauen wir den Aussagen nicht und organisieren den Schlepp direkt Richtung Thüringer Wald gegen Osten. Dort gibt es schon vereinzelt kleine Thermikwölklein. Der Anschluss auf dem Thüringer Wald gelingt ohne Probleme und Richtung Süden bauen sich nach und nach Cumuli auf. Die Basis ist hoch und wir kommen ordentlich vorwärts. Ab Höhe Erzgebirge keine Wolken mehr, zumindest keine tiefen. Die hohe Bewölkung ist wieder vermehrt zu sehen, aber weit entfernt sind thermikanzeigende Fetzen im Dunst zu erkennen. Wie weit weg wohl? Ja ist die Antwort. Während der nächsten ca. 1.5 h kriechen wir durchs blaue, immer bedroht von einer heranziehenden Abschirmung. Mit schwachem Steigen können wir uns so bis zum bayrischen Wald vorhangeln. Die lang ersehnten Wolken stehen in der Nähe des Grossen Arbers. Ab da geht es wieder hoch und auch vorwärts. Schnell sind wir im Gleitbereich für den 80 km Endanflug auf Ried-Kirchheim. Also lange gleiten und vorsichtig den Linien folgen. Um Passau rum geht es aber runter und so wird der entspannte Endanflug immer spannender. Ca. 20 km vor dem Ziel treffen wir, markiert von einem Steinbruch, nochmals gutes Steigen an und können trotzdem noch entspannt am Zielflugplatz abkreisen und landen, diesmal mir Rausrollen und direktem Parkieren.
Kirchheim, geniessen und feiern
Mit Fritz, einem Fluglehrer der ansässigen Fluggruppe planen wir gleich nach der Landung den Rückflug in die Schweiz, welcher luftraumtechnisch etwas kompliziert sein könnte. Da Stefan Bekannte aus der Umgebung des Flugplatzes kontaktiert, müssen wir uns kein Hotel suchen. Seine Bekannten erfahren von unserem Vorhaben, bei Ihnen zu schlafen allerdings erst an diesem Abend. Abgeholt und einquartiert sind wir schnell. Der Bekannte von Stefan ist Mitglied in einem Motorradclub. Dieser Club veranstaltet eine Party in der Nähe und natürlich statten wir diesem gemütlichen Fest mit überdurchschnittlich vielen langhaarigen bärtigen Männern einen Besuch ab. Nach einer eher kurzen Nacht frühstücken und plaudern wir etwas bis zur Abreise zum Flugplatz. Was für eine freundliche und herzliche Familie! Sie begleiten uns bis zum Start.
Sonntag: Über die Alpen nach Hause
Das Wetter ist gut angesagt um über die Alpen nach Amlikon zu fliegen. Mit einem Eingenstart brrrren wir in Richtung der vielen Seen östlich von Salzburg und finden den Einstieg in die Voralpen mit einer Freigabe von Salzburg ohne Probleme. Mit einer Basis von 3000 m fliegen wir Richtung Dachstein und folgen dem Tal via Hochkönig nach Zell am See. Nach der Talquerung gelangen wir auf den Alpenhauptkamm. Über einen etwas schwächeren Abschnitt gelangen wir zum Brenner wo die Basis auf 4000 m liegt. Richtung Wildspitze ist der Weiterflug kein Problem, wir entscheiden uns, das Berninamassiv zu besuchen und folgen dem Engadin. Mit einer Basis von bis zu 4400 m ist das reiner Genuss und ein krönender Abschluss auf unserer 3-Tagesreise. Von da an haben wir Endanflughöhe nach Amlikon, kreisen jedoch zwischendurch noch ein- zweimal um sicherzugehen, dass wir nach Hause über den Säntis zu kommen. Am Säntis vorbei, kommt unser Flugplatz schnell näher und ohne grosse Einlagen landen wir am Sonntagabend wie geplant in Amlikon.
Was für eine Reise! Die verschiedenen Gebiete zu verknüpfen und neue Flugplätze zu erkunden machte riesigen Spass, nicht zu vergessen sind die neuen Bekanntschaften. Wandersegelflug ist unbedingt weiterzuempfehlen. Was man allerdings nicht vergessen darf ist, dass ein Hilfsmotor die Planung bei unsicherem Wetter und ein Start auf fremden Flugplätzen deutlich unkomplizierter macht.