Weltmeisterschaft im Segelkunstflug 2022

Meine letzte WM-Teilnahme ist ja schon vier Jahre her, als ich damals den Titel in der Kategorie Advanced nach Hause bringen konnte. Für mich war danach klar, dass ich nun „endlich“ mit gutem Gewissen in die Unlimited wechseln konnte. Ich hatte das Glück, dass ich mich an einem Swift, dem einzigen in der Schweiz, beteiligen durfte und ab da für die Unlimited trainieren konnte.

Vor gut einem Jahr entschlossen wir, zu dritt an die WM zu fahren. Denn die letzen zwei Mal war ich immer alleiniger Teilnehmer aus der Schweiz gewesen! Deshalb freute es mich besonders, dass Roman Baumer aus Schaffhausen und Christan Syfrig vom Hotzenwald ebenfalls teilnehmen mochten. Für eine Teamwertung reichte es gerade noch nicht, da es mindestens ein Dreierteam benötigt und sie in der Kategorie Advanced und ich in der Unlimited teilnahmen. Als Teamcaptain setzte sich Valeria Huber aus Schaffhausen für uns ein – eine Position, die nicht hätte besser besetzt werden können!

Das Schweizer Team mit Roman Baumer und Christan Syfrig in der Advanced, Valeria Huber als Teamchefin und mit mir in der Unlimited (von links nach rechts). Im Hintergrund der Fox der SAGA.

In den folgenden Abschnitten berichte ich erst von meinen Erlebnissen nach den Flügen in Frankreich, und zum Schluss gebe ich noch ein Fazit über eine WM, die mir wiederum für immer in Erinnerung bleiben wird!

Programm 1: Free Known

Die Gefühle nach dem allerersten Programm an einer WM in der Unlimited Klasse sind gemischt. Nach dem Flug war ich froh, das Programm ohne groben Schnitzer geflogen zu haben. Trotzdem, die erste Figur lief im Training viel besser. Obwohl ich die Eingangsgeschwindigkeit wie geplant eingestellt hatte, war meine Fahrt nach einer Viertel-Rolle und einer Drei-Viertel gerissenen Rolle weg, sodass ich auf dem Rücken nur noch mit Mühe die Nase oben halten konnte. Ich fasste mich aber und konnte den Rest konzentriert, gefühlt so wie im Training, fliegen.
Alles passte +/-, keine HZ, die Positionierung in der Box war mehr oder weniger zentriert und die Höhe reichte mit Sparen am Schluss auch aus. Das Resultat war am Schluss Nummer 10 von 17.

Eigentlich kann man damit zufrieden sein, zumal da einige langjährige und erfahrene WM-Teilnehmer hinter mir lagen. Erwartet habe ich jedoch etwas mehr, gerade von Figuren, die eigentlich nicht besonders anspruchsvoll sind, und auch in Anbetracht dessen, dass ich dieses Programm einige Male geflogen bin im Training. Doch um das Positive zu sehen: die Punktabstände sind noch nicht extrem hoch, ausser zu den Erst-Platzierten. Und ebenfalls hat mir dies etwas Druck abgenommen, vor allem jenen, den ich mir selber auferlegt habe. Einige aufmunternde Worte vom Team und WhatsApp-Nachrichten konnte ich gut gebrauchen und halfen schon, nach vorne zu schauen!

Die Free Known von mir. Dies ist das einzige Programm, dass man vor dem Wettbewerb so viel üben kann wie man will.
Vor dem Wettkampf kann man noch gut Lachen 🙂

Programm 2: Unknown 1

Dass ich nun bei den «Grossen Buben» angekommen bin, merkte ich beim zweiten Programm, der ersten Unbekannten. Sieben Figuren wurden von den Nationen vorgeschlagen. Da wir aber neun Nationen in der UNLIMITED sind, entschied das Los, wer und in welcher Reihenfolge eine Figur vorschlagen darf. Leider gehörte ich nicht dazu und musste zwei deftige Figurenvorschläge von den Österreichern und von Ferenc Toth aus Ungarn über mich ergehen lassen. Beide beinhalten negative Loop-Bögen mit gerissenen und gestossenen Rollen oben im Scheitel.
In anderen Worten: Für eine schöne Ausführung muss man näher an die Limiten vom Flugzeug gehen als bei sonstigen Figuren, und je nach dem auch an das persönliche Wohlbefinden. Das heisst zum Beispiel für Figur 3 muss man die senkrechte Linie richtig lange stehen lassen und anschliessend, im richtigen Moment und mit richtiger Dosierung, negativ in den Rücken stossen – sodass man nahe an den roten Strich am Fahrtmesser kommt, ihn aber keinesfalls überschreitet! Die Fahrt braucht es, denn man will beim anschliessenden halben negativen Loop-Bogen möglichst schnell oben ankommen, um noch eine gerissene Rolle fliegen zu können. Ach ja, und da soll dann auch noch die Fahrt für eine Rolle vom Rücken in den Rücken reichen. Und dafür muss man einfach mit hoher Geschwindigkeit und möglichst grosser negativer G-Last hochdrücken. Auch hier gilt selbstverständlich, auf keinen Fall die zulässigen -7.5 G zu überschreiten – aber das ist dann schon ziiiiemlich (!) unangenehm….

Da ich zugegebenermassen noch nie eine solche Kombination and Figuren-Elementen geflogen bin, war es für mich viel Wert, von anderen Piloten Erfahrungen einzuholen und als Start-Nummer 12 einige Kunstwerke der Konkurrenten vor mir zu begutachten. Match-entscheidend waren vor allem die Figuren 3 & 5, bei denen man sich konsequent an die gesetzten Geschwindigkeits-Limiten halten muss und so deutlich wie möglich Reissen/Stossen muss. Doch auch die letzte Figur durfte nicht vernachlässigt werden: Ein Rollenkreis, wobei auf eine 180°-Kurve eine ganze Rolle integriert werden muss. Dieser gibt eben so viele Punkte und wird oft verharmlost und «hingehuddelt» zum Schluss. Aus diesem Grund bereitete ich mich vermehrt mental auf diese Figur vor, da ich glaubte, am besten bei dieser Figur punkten zu können um mich vom Rest absetzen zu können.

Doch es kam anders…

Das zweite Flugprogramm: Die Unbekannte 1. Alles was rot gestrichelt ist, bedeutet eine negative Belastung im Flug…

Die ersten 8 Piloten absolvierten den Flug noch am Samstagabend. Entsprechend den Wetterprognosen war klar, dass ich am Sonntagmorgen als vierter in der Reihe fliegen muss. Alles Bestens, denn so konnte ich die Flüge der Konkurrenten über Nacht verarbeiten und hatte am Morgen wunderbar ruhige Luft.

Im Schlepp funktionierte das HMD natürlich wieder einmal nicht richtig, sodass ich mich erst einmal durch die Box ziehen lassen musste. Ich zwang mich, dies zu ignorieren und mich auf das Programm und insbesondere die erste Figur zu fokussieren. Dies klappte zum Glück erstaunlich gut. Der Höhenpiepser wurde gerade noch vor der Box zurückgesetzt und piepste nun korrekt. Also los! Und so flog ich das Programm, in etwa so wie ich es mir vorstellte.
Nach dem Turn (Figur 2) liess ich schön lange stehen, vor und nach der Rolle, denn der innere «Dinosaurier» möchte eigentlich lieber schon viel früher drücken. Doch da hilft nichts – bei den geplanten 240 km/h drückte ich mich kräftig in den Rücken, sodass ich kurz vor Vne bereit war für die erste Killer-Figur. Und siehe da, die kam einfach viel besser als erwartet (falsche Einstellung, ich weiss 😉)! Toll, also, konzentriert zur Nächsten. Hier dasselbe wie bei Figur 5, die Geschwindigkeit passte und ich drückte so viel wie ich es auch schon gemacht habe und mir wohl war. Es ist schon ziemlich unangenehm, wenn das Blut bei über -6.36 G in den Kopf und die Augen gedrückt wird. Es fühlt sich etwa so an wie eine Stunde im Kopfstand – einfach konzentriert in 3–4 Sekunden? :-P. Auch hier, die gestossene Halbe kam für mein Gefühl ziemlich gut!

Der Rest verlief mehr oder weniger wie geplant. Also, kurz beruhigen, zusammenraffen und auf zur letzten Chance dem Rollenkreis! Versemmelt. Ich hab den Kreis einfach nicht mehr ganz zu gekriegt. Wahrscheinlich habe ich in der ersten halben Rolle etwas zu wenig Richtungsänderung eingeholt und konnte es dann nicht mehr aufholen. Ein Problem war wohl auch, dass ich vom Positioning her zu weit weg war, sodass ich kaum etwas von der Box-Markierung sehen konnte und nur die verwirrenden, 60° dazu versetzte Pistenmarkierung…
Im letzten Viertel konnte ich dann die Hauptsache wieder sehen und siehe da – gefühlte 25 bis 30° fehlten. Das heisst, maximal eine Punktzahl 4.0 von 10.0. Und so wars dann auch. Schade! Da hilft eigentlich nur Training. Die habe ich kaum geübt, zu beschäftigt war ich beim Üben alleine der auf einen 90° Kreis verteilten Rolle…

Trotzdem, nach dem Flug hatte ich ein gutes Gefühl. Ich habe zwei selektive Figuren gemeistert, welche ich nur mental trainieren konnte. Den Rollenkreis ja, schade, da hätte ich noch richtig was raushauen können, aber dass der nicht hervorragend war, ist nichts Neues ;-). Aber nun gut, es reichte für den Platz 4 (knapp 61 %)! Ferenc, der 7-fache-Weltmeister in Serie, hat sich natürlich wieder klar abgesetzt und schaffte gar über 70 %. Sein „spritziger“ Rollenkreis und auch sein Positioning waren echt stark (und der Rest natürlich auch, aber damit hat er sich abgesetzt).

Und nun geht es weiter mit einem «einfacheren» Programm, der «Free Unknown». Die Piloten haben gemerkt, dass sie sich vielleicht doch etwas übernommen haben bei den ersten Figurenvorschläge? Aber, wirklich einfacher stelle ich mir das kommende Programm nicht vor, denn da muss man umso präziser fliegen um punkten zu können. Das hat fast schon einen Touch von der Advanced Klasse? Mal sehen, ist auch schon lange her 😉.

Positiv gestimmt und mental gut vorbereitet ist sicher das A & O für ein erfolgreiches Programm – und das ist definitiv etwas, das sich noch während dem Wettbewerb beeinflussen lässt! Die Stimmung im Team ist immer noch super, auch hier ein Danke an unsere tolle Team-Chefin 🙂!

Auf geht’s! Ein wunderschönes Fliegerlein, nicht? 🙂

Programm 3: Free Unknown

Anders als bei den Unbekannten (Unknowns) kann bei der Free Unknown das Programm selbst ausgewählt werden aus jenen Figuren, welche von den Nationen eingereicht wurden. Viel Variation gab es in den Programmen jodoch nicht, sodass mein Vorschlag von drei weiteren Nationen ebenfalls kombiniert und eingereicht wurde.
Ich entschied mich aus mehreren Gründen für den eigenen Vorschlag: Das Positioning ist gut, die Ein- und Ausgangs-Geschwindigkeiten passen ziemlich aufeinander und es hat keine Elemente in der Sequenz, die man nicht ganz unten in der Box fliegen mag. Ein negatives Wegdrücken in den Rücken auf 200 m Grund muss eigentlich nicht sein – wenn man doch etwas tiefer ist und keinen Penalty kriegen will und zu früh (auch aus Nervosität?) und zu fest stösst, da kann die Strömung ungewollt abreisen. Ausserdem haben sich fast alle für dieses Programm entschieden – auch ein gutes Zeichen. Übrigens auch toll, wie man sich im Teilnehmerfeld so offen über die vorgeschlagenen Programme unterhalten kann – gerade auch wenn es um sicherheitsrelevante Themen geht.

Das dritte Programm in der Unlimited: Die „freie Unbekannte“

Die Vorbereitung ging gut, respektive war auch sehr lange, denn wegen dem Wetter konnten wir das Programm nicht sofort fliegen, sondern erst einen Tag später. Die Startnummer 1 störte mich nicht besonders, denn dieses Programm birgt keine grösseren Unsicherheiten, auch vom Positioning her hatte ich keine Bedenken. Der Hochnebel hat den Start von 10:00 auf 15:00 herausgezögert. Für die Teilnehmer ist das alles andere als unanstrengend – denn man soll ja immer bereit sein, sollte die Basis genug hoch sein. Ich versuchte mich dadurch nicht allzu stressen zu lassen und stellte mir den Flug mit allen Sinnen ab und zu wieder im Kopf vor. Selbstverständlich gehört auch das Tanzen in der ausgelegten Mini-Box am Boden dazu. Hier auch spannend, wie das die Konkurrenz macht. Wenn man Ferenc Toth zuschaut, dann sieht dies schon ziemlich nach einem gelungenen Flug aus, bevor er überhaupt abgehoben ist: Zielstrebig, selbstbewusst, elegant und irgendwie federleicht – auch wenn ich seinen Flugstil eher als «hart» betiteln würde…

Wie dem auch sein – ich hatte den ersten Schlepp, bei dem das HMD (der Höhenpiepser. So hört der Pilot und auch der Chefpunktrichter am Boden, ob man sich ober- oder unterhalb der Box befindet) tadellos funktionierte. Kann hier bitte mal jemand ein par Euros locker machen, um der CIVA ein anständiges Gerät entwickeln zu lassen? Glücklicherweise hatte ich ein blaues Loch über der Piste, sodass ich mir keine Gedanken um «Clouds in the Box» machen musste. 

Top! Nochmals die aufsteigende Nervosität bändigen durch das Pfeifen eines tollen Songs. Mit den Flügeln wackeln, um die Box zu sehen und im richtigen Moment klinken. Deutlich Anwackeln. 180 km/h. Mitte Box. Halbe Rolle auf den Rücken, Nase oben halten. Um damit bin ich schon voll im Programm drin und so geht es auch bis zum Schluss.
Nach dem Flug war ich zufrieden – es war für mich schlicht und einfach ein solider Flug. Mehr konnte und kann ich nicht sagen. Ah, ja, das Männchen: Nach der Viertel-auf-Rolle hatte ich doch noch ein Schieben drin, sodass ich mit vollem (!) Seitenruder-Ausschlag den Tailslide gerade noch hinbekommen habe ohne grossen Richtungsfehler. Schwein gehabt, denn das ist eine meiner Lieblingsfiguren und fast hätte ich sie noch selber vermasselt…
Mein Team am Boden fand den Flug auch toll, was mir natürlich ebenfalls eine gute Stimmung einflösste. Und ich glaube, wenn ich selber nicht viel zu kritisieren habe, dann muss es schon ziemlich gut gepasst haben 🙂

Nun war der Rest vom Feld dran. Eigentlich will ich nicht zuschauen aus Angst, andere könnten einen viel besseren Flug hinlegen. Andererseits lohnt es sich aber auch, die Flüge genau anzuschauen und gegebenenfalls bessere Elemente zu adaptieren beim nächsten Flug? Wenn das so einfach wäre. Ich bin ja zum Teil mit der Ausführung der einzelnen Figuren schon genug beschäftigt… Die Vernunft siegte, und ich hab mir mehr oder weniger alle Flüge reingezogen. 
Maciej aus Polen ist meiner Meinung nach am Besten geflogen – besser als Ferenc. Und das hat sich auch in den Resultaten bestätigt: Maciej erster, Spitzi aus Deutschland zweiter und Ferenc dritter. Ich konnte mich eng mit zwei Franzosen auf Platz 6 platzieren. Für mich ein Erfolg!

In der Gesamtwertung hat sich vor mir nichts geändert, das heisst, ich bin immer noch Nr 6, wobei sich die Plätze 1, 2 und 3 schon klar voneinander unterscheiden. Dafür sind wir von 4 bis 6 praktisch punktegleich.
Was heisst das für mich? So weiterfliegen, vorbereiten und hoffentlich auch entsprechend umsetzen. Ich werde mich bemühen, einen Tick «zackiger» zu fliegen. Ich habe das Gefühl, enge Bögen werden an der WM einfach etwas besser entlöhnt. Aber das soll auch das Einzige sein, das ich anpassen will.

Die unverwechselbaren Shirts sehen nicht nur auffällig gut aus, sondern sind auch bequem ☝️

Programm 4: Unknown 2

Um es vorne weg zu nehmen, den Bericht schreibe ich, nachdem ich bereits das fünfte Programm geflogen bin, und mit unserem Team am «French Evening» Käse und Wein gekostet habe. Gegen Ende des Wettbewerbs wurde das Wetter endlich besser und alles geht Schlag auf Schlag, sodass für das Bericht-Schreiben weniger Zeit blieb. Aber der Reihe nach: 
Das Programm ist wieder ausserordentlich negativ-lastig. Dabei bin ich aber nicht ganz unschuldig – denn nach meinem für mich persönlichen Erfolg im Programm 2 dachte ich, dass mir solches verhältnismässig gut liegt. Und die Chinesen-Loops (Looping mit einem Rollen-Element im Scheitel oben) ebenfalls, da diese eher «feinfühlige» Figuren sind und nicht so ein Gewürge wie Rollenkreise sind 😉.
Eine mögliche Kombination ist also: Ein Loop, der aus dem Rücken beginnt und oben gleich anderthalb Rollen integriert hat. Genaugenommen ist es ein P-Loop, denn statt den Loop komplett auszurunden, wird noch eine senkrechte Linie gezeigt im Abgang. Zum Spass natürlich geht es dann auch wieder negativ raus. Im Programm ist dies die fünfte Figur.

Am meisten Bedenken jedoch hatte ich bei der Dritten, welche die Deutschen Kollegen vorgeschlagen haben. Hier geht es um das Element einer vollen Gestossenen Rolle auf einer 45° Abwärts-Linie. Diese ist noch tricky, da die Strömung wie bei allen gerissenen/gestossenen Figuren abreissen muss, ähnlich einem Trudler bei hoher Geschwindigkeit – aber wieder exakt gestoppt werden muss. Durch die Fluglage ist es allerdings gar nicht einfach, den richtigen Moment zu erwischen, um kräftiges Gegenseitenruder zu geben. Auch muss mit dem Knüppel gerade nur so viel nachgelassen werden, damit die Autorotation eben noch bestehen bleibt, aber auch gut und zackig gestoppt werden kann. Weiter dabei ist ein Turn aus dem Rücken und ein Innenrollenkreis (ja, mein «Fluchwort» vom Wettbewerb).

Im Team sind wir gut eingespielt, so dass ich am Morgen auch noch in der Wohnung bleiben konnte und das Programm mehrmals durchgehen konnte. Dabei stelle ich mir jeweils alle möglichen Szenarien vor: Zum Beispiel, ob und wie ich schiebend aus einer Figur rauskomme, was das für die nächste Figur bedeutet, was, wenn die Positionierung in der Box anders als erwartet ist? Und und… Ich glaube, da kann man gar nicht genügend vorbereiten, denn jeder mentale Flug gibt mehr Sicherheit später im Flug.

Das vierte Programm im Wettbewerb ist das zweite komplett unbekannte Programm. Die Knackpunkte sind Figur 3 (von Deutschland) und die Figur 5 (von mir).

Als Startnummer 14 hatte ich das Glück, die Vorgänger studieren zu können. Der Knackpunkt an diesem Programm war tatsächlich meine vorgeschlagene Figur. Die sah also bei vielen ziemlich unschön aus, bis auf ein paar Ausnahmen. Ist ja wieder mal typisch, wahrscheinlich wird diese Figur nach meinem Vorschlag auf nächstes Jahr wieder aus dem Katalog gestrichen 😉.
Die grosse Frage ist für mich, bei welchem Winkel vor dem Scheitel man mit den Rollen beginnen soll: Beginnt man 45° vor dem Horizont, hat man gute Chancen auf eine korrekte Zentrierung der Rolle im Scheitel. Dadurch riskiert man aber auch, zu viel Geschwindigkeit zu verlieren und man „vom Himmel purzelt…“. Entsprechend haben viele die Figur auf «Sicherheit» geflogen und spät mit Rollen begonnen.
Der Premsyl hat aber versucht, diese korrekt zu fliegen und früh mit Rollen begonnen. Das sah für meine Augen am Besten aus! Also war der Fall klar, wenn die Speed oben reicht, früh zu Rollen und mit dem Seitenruder in der Messerlage die Nase wieder nach unten zu bringen um den Speed beizubehalten.

Premsyl war einer der ersten 8 Piloten die noch vor der Mittagpause geflogen sind in der schönen ruhigen Luft. Es scheint, als ob das Programm sehr höhenkritisch ist. Nun gut, ein paar Pfirsiche zu Mittag essen und nach der Mittagspause bereit sein. Die Flüge am Nachmittag vor mir sind auch nicht überragend. Es scheint, als wird die Schwierigkeit des Programms unterschätzt? Doch Charlie, ein junger ebenbürtiger Konkurrent aus Frankreich, ist schon sehr stark geflogen!

Als ich drankam, setzte die Thermik schon ordentlich ein. Für uns heisst das: Man kann Glück oder Pech haben. Letzteres hatte Benoit aus Frankreich – der hatte so viel Sinken in der Box, sodass er bei der zweitletzten Figur abbrechen musste. Ein Pilot danach wiederum war auf 400m bereits fertig? Wenn man das starke Sinken bemerkt oder man allgemein zu tief kommt, muss man Höhe sparen. Aber soviel kann man einfach nicht wett machen bei so einem höhenkritischen Programm. Da kann ich nur hoffen, dass ich kein Sinken in der Box habe!
Endlich war ich im Schlepp. Doch als ich in die Box geschleppt wurde, war ich nur sehr marginal auf 1250 m. Auch hatte ich das Gefühl, dass im Horizontalflug das Seil sehr straff war – für mich ein Indikator, dass wir gerade durch einen Abwind schleppen – verdammt! Dieses Szenario hab ich mir aber schon überlegt – also blieb ich im Schlepp und liess mich nochmals durchziehen. Einmal darf man das, anschliessend muss man klinken und fliegen – oder aber die Bedingungen nicht akzeptieren und absteigen (dann muss man aber gute Gründe haben wie einen technischen Defekt, Regen oder Wolken in der Box).
Nun klinkte ich und legte an der geplanten Stelle los. Der Flug klappte wieder wie von alleine. Es fühlte sich zwar nicht richtig nach einem «Flow» an und ganz knapp hatte ich die 200 m Minimalhöhe auch unterschritten beim letzten Renversement, was mit 70 Penaltys bestraft wird. Trotzdem war ich super zufrieden nach der letzten Figur. Fast schon erstaunt war ich, dass alles in die Box reinpasste? Nochmals kurz das Programm durchsehen, ob ich wirklich nichts vergessen habe? Ne, glaube nicht. Also, Fahrwerk raus, Nase runter und Vollgas direkt in den Anflug übergehen. Das macht übrigens super Spass mit dem Swift oder Fox so ein Anflug zu fliegen (man muss ja so schnell wie möglich landen…). Vergleichbar mit der ASH25 mit etwas Fahrt in der L-Stellung – einfach geil 😀

Nach der Landung kommt mir schon Valeria mit dem Auto und einem grossen Smile und einem Daumenhoch entgegen. Na super, offenbar hab ich wirklich keine Figur vergessen 😀. Der Flug habe super ausgesehen von unten. Bald kam auch schon die Wertung online und siehe da: Momentan zweiter Platz, trotz den Strafpunkten! Damit konnte ich mich im Overall von den zwei Franzosen etwas distanzieren und bin nun auf dem Vierten Rang.

Immer bestens umsorgt von der Teamchefin ⛱️

Programm 5: Unknown 3

Die Wetterprognosen für den Donnerstag waren gut. Aufgrund eines technischen Defektes am Swift startete ich nicht als Nummer fünf, sondern musste als Letzter starten. Deswegen konnte ich mich weniger mental auf den Flug vorbereiten. Doch man kann es auch positiv sehen: Dadurch konnte ich den anderen Piloten beim Programm zuschauen.

Es sieht auch wieder so aus, als ob die Höhe knapp ist für dieses Programm. Die wichtigsten Figuren sind meiner Meinung nach 1 (High-Speed-Negativ wie schon vieles dieses Jahr), 3 (Figur mit einer halben gerissenen 45° auf) und 6 (Männchen mit Viertel auf und einer halben in der Abwärtslinie), wobei letztere von mir ist. Diese habe ich vorgeschlagen, da sie eher eine selektive Figur ist, aber problemlos auch mit einem Fox fliegbar ist. Die Schwierigkeit ist, den Flieger auch nach einer viertel Rolle aufwärts noch perfekt vertikal zu halten, damit er sauber nach Hinten rutscht. Kleine Fehler bei der Rolle mit Seitenruder oder Höhenruder führen fast unweigerlich zu einem «Nuller». Irgendwie haben die im Training bei mir zuverlässig funktioniert. Und: zuvorderst bin ich ja eh nicht, also wieso nicht sowas vorschlagen, statt auf Sicherheit zu gehen?

Das letzten Flugprogramm ist die dritte Unbekannte

Als ich dann im Schlepp war, stellte ich vor dem Klinken noch fest, dass die Fahrt nur 80 km/h anzeigte. Hä? Sind das die Propellerböen vom Schleppflugzeug? Nein, weiter oben im Schleppzug auch keine Veränderung. Komisch, ist mir gar nicht aufgefallen vorher – und das erst auf 1200 m Grund?? Die Vorstellung, ohne Fahrtmesser Kunstflug zu machen – unmöglich. Vor allem bei der ersten Figur, wo man ja superschnell auf dem Rücken beginnen muss. Also setzte ich den Funkspruch ab: «Chief-Judge, flight number 5, descending due to no speed indication». 
Immerhin hatte ich noch nicht angewackelt. Also Bremsen raus, und so schnell wie möglich absteigen. Das wollte ich schon immer! Aber verdammt, ohne Fahrtmesser kann ich ihn doch nicht voll auf die Nase stellen.

Nach der Landung blieb ich schön im Flieger sitzen bis die Jury erschienen war. Denn, man muss ja einen Grund haben, wieso man absteigen musste. Auf die Frage, was denn die Geschwindigkeit unten angezeigt hat und ich es erst oben bemerkte? Dies beunruhigt mich selber und beschämte mich. Offenbar habe ich die Geschwindigkeit im Schleppzug nie explizit gecheckt! Die Kamera habe ich erst auf 1100 m Grund eingestellt und da zeigte der Fahrtmesser auch 80 km/h an.
Wie dem auch sei, das Flugzeug wurde im Hangar durchgecket und kontrolliert, ob ich denn nicht einen Schlauch verkehrt angeschlossen habe. Nein, habe ich nicht. Offenbar war ein Insekt oder ein anderer Fremdkörper im System – nach dem Ausblasen der Schläuche zeigte er wieder plausible Werte an. Ich liess mich nicht stressen, denn ich habe ja nichts verbrochen. 
Die Punktrichter waren mittlerweile schon in der Mittagspause, sodass ich erst am Nachmittag, direkt vor der Advanced meinen Flug nachholen konnte. Lustigerweise habe ich erfahren, dass am Boden alle meinten, der Flug vor mir sei ich gewesen – und der sei nicht so souverän geflogen. Die Konkurrenz habe sich schon gefreut… doch zum Glück war’s nicht ich! 😊

Nach dem Mittageessen warf ich das Wort «Traubenzucker» in das Teamzelt, sowas wäre doch hilfreich um das Mittags-Loch zu überbrücken! Und siehe da, da zaubert Valeria ein Dextro-Energy hervor! Das ist mal eine Team-Chefin… Also, rein mit dem Zeugs und hoch geht’s (Recherchen ergaben, dass die Glukose nach rund 20 min seine Wirkung entfaltet für eine kurze Zeit ☝️).

Die Nervosität war verglichen zu den ersten Flügen an dieser WM schon beängstigend tief, sodass ich mich auf das Positioning der ersten Figur gut konzentrieren konnte. Den Klinkpunkt plante ich ganz am Ende der Box, damit das Fahrtaufholen, Anwackeln und auf den Rücken drehen genau in der Mitte, und nach hinten leicht ausserhalb der Box platziert werden konnte. Dies hat funktioniert und so konnte ich möglichst viel Energie aus dem Schlepp mitnehmen.
Bei dem Programm kam ich richtig in einen Flow – alles passte +/-. Nach der Figur 3 war ich zwar ein paar Grad aus der Richtung, aber das ist schon fast normal, denn alle hatten diesen Richtungsfehler. Das Fahrtaufnehmen im Rollenkreis (Fig 4) hat auch gut geklappt, sodass ich sogar 200 km/h hatte, statt minimal geplanten 160 km/h. Meine Figur klappte richtig gut und auch die Höhe reichte aus, um die letzten Figuren ordentlich zu fliegen. Toll! Auch hier wieder der Check – hab ich wirklich alles korrekt gemacht ?!?

Kann doch nicht sein. Ich wage zu behaupten, dass ich in der Unlimited noch nie fünf Flüge in Serie hatte ohne einen Nuller? Aber nein, sollte passen. «YEESSS!». Über die Punktrichter düsen und den Mauersegler sicher auf den Boden bringen. Wieder werde ich mit einem riesigen Smile erwartet 😊. Bestätigung. Den Swift verstauen wir gleich im Hangar, den brauchen wir nicht mehr.
Ich erfuhr, dass Charlie wieder gute Noten gekriegt hat – reicht mein Flug aus, um mindestens so viele Punkte wie er zu erzielen? Nach wenigen Minuten kam der Knüller: Auf der provisorischen Tageswertung erreichte ich den ersten Platz.
Das hätte ich nicht für möglich gehalten – knapp vor Maciej. Michael Spitzer hatte sich leider bei der ersten Figur verbastelt. Schade, er flog super – ihn hätte ich gerne auf dem Podest gesehen! Doch auch Ferenc, er holte sich sogar eine Hard-Zero ein, weil er einen Stopp ausgelassen hatte bei einer Zeitenrolle. Dadurch bin ich, für mich sehr unerwartet, in der Gesamtwertung auf dem dritten Platz und über alle Unbekannten Programme sogar auf dem zweiten Platz!

Das Siegerpodest: 2 Platz Maciej Pospieszynski (Weltmeister 2012 & 2014), 1. Platz Ferenc Toth (Weltmeister 2015, 2016, 2017, 2018, 2019, 2021 uuund 2022!), 3. Platz Jonas Langenegger (was hat der schon erreicht? 😉)

Schlusswort

Man könnte zynisch sagen, „nur dritter Platz, nachdem ich zuvor Weltmeister wurde?!“. Natürlich, die Wunsch-Platzierung ist der erste Platz – das wollen ja auch alle, sonst geht man ja nicht an eine WM. Aber die persönlichen Ziele sind was anderes. Ganz ehrlich gesagt, mein Ziel war nicht das Podest, sondern einfach mindestens die vordere Hälfte, noch lieber vorderes Drittel.
Bislang hatte ich noch keine wirkliche Referenz, wo ich in der Unlimited stehe und auch hatte ich das Gefühl, dass überhaupt noch einiges nicht richtig sitzt. Beispielsweise die Rollenkreise, die ganzen gerissenen Rollen und das Selbstvertrauen bei Figuren, die ich kaum trainieren konnte. Kam noch dazu, dass Maciej, Ferenc und Michael Spitzer die klaren Favoriten waren mit massiv mehr Erfahrung in der Unlimited. Allein deshalb bin ich mindestens so zufrieden mit dem Resultat wie mit jenem von 2018!

Nach dem ersten Flug, bei dem ich mein perönliches Ziel “erste Hälfte” schon mal verfehlt hatte, sanken natürlich auch meine Erwartungen. Vor allem auch, weil ich nicht mal einen richtig groben Schnitzer drin hatte! Danach ging es aber von Flug zu Flug eigentlich besser. Der zweite Flug hat richtig gutgetan, denn dies zeigte mir, dass man mit guter Vorbereitung und der richtigen Einstellung zum Flug richtig viel herausholen kann. Auch der Dritte war solide. Ich begann mich langsam im Schlepp zu fragen, wann kommt der Fehler? Eine Unsicherheit im Programm? Ein kleines Blackout (hier meine ich nicht jenes wegen der G-Last 😉)? Oder ein leicht hängender Flügel beim Tailslide? Glücklicherweise kam er nie.

Wie kann es denn sein, dass ich besser geflogen bin als im Training (davon gehe ich zumindest schwer aus)? Ich glaube, das hat vielerlei Gründe. Einer davon ist auf jeden Fall das tolle Team – zusammengehalten durch eine super Teamchefin. Ich fühlte mich immer positiv unterstützt. Das alleine ist schon sehr viel Wert, denn das führte schon mal zu einer guten Stimmung ihm Team und auch zu einer positiven Einstellung im Allgemeinen.

Damit komme ich auch zum zweiten Punkt: Der positive Mindset. Ich finde das übrigens einer der schwierigsten Punkte, sich zu «überlisten» und alle Gedanken in dir richtige Richtung zu lenken oder zu blockieren. Doch an dieser WM hat es wirklich gut geklappt. Es ist erstaunlich, man kann wirklich fast immer irgendwo was Positives sehen! Vor allem gegen den Schluss vom Wettbewerb, wenn bei den Teilnehmern sich eine «Müdigkeit» breit macht, kann man damit punkten.
Viele hoffen, gegen den Schluss nicht mehr fliegen zu müssen. Wenn es dann aber doch zu dem Flug kommt und man sich stattdessen auf den Flug gefreut und vorbereitet hat, dann ist man nicht schon im Abseits bevor man erst geflogen ist.

Der Dritte Punkt ist, eine Person des Vertrauens. Gerade bei mir, da ich ziemlich der «Einzelgänger» bin in der Unlimited. Jochen hat mich quasi per «Fernwartung» unterstützt, mentale Tipps gegeben und mich nochmals auf die Knackpunkte im Programm hingewiesen. Als mein inoffizieller Coach musste ich ihn natürlich nach dem Flug immer zuerst informieren wie es denn gelaufen ist 😉. Es gibt sicherlich noch mehr gute Gründe wie eine ruhige Unterkunft, seriöse Vorbereitung, genügend Schlaf und nicht zu viel Wein während dem Wettbewerb 😊.

Was ich immer wieder schön finde ist, das sportliche Verhalten aller Piloten. Auch wenn man in der Luft gegeneinander fliegt, ist man am Boden mit allen Piloten beste Freunde. So schätze ich es sehr, wie andere mir diese Platzierung gönnen konnten, genauso wie ich es den Piloten vor mir gönne. Dass ich wenigstens ein Mal in einem Programm besser war als Ferenc, und die Anerkennung von Maciej, dass in meinem Flug-Stil eine Harmonie zu erkennen ist, haben mich natürlich besonders stolz gemacht. Dies war ja die letzte WM von Ferenc und somit gibt es seit Jahren wieder einmal reellere Chancen auf den Weltmeistertitel und die Möglichkeit, mit einem anderen Flugstil zu punkten?

Die Endrangliste der WM im Segelkunstflug 2022, Kategorie Unlimited
https://civa-results.com/2022/WGAC_2022/indexpage.htm

Als Abschluss möchte ich allen danken, die an mich geglaubt und unterstützt haben! Nächstes Jahr plane ich momentan nicht, an die WM zu fahren, sondern bevorzuge einen zwei-Jahres-Turnus, denn der Zeitaufwand ist doch sehr beträchtlich.

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