Tausend (1000) Kilometer!

Wie oft haben wir schon davon geredet, und wie viele mögliche 1000er haben wir schon auf die Karte gemalt? Dass wir nun auf Worte Taten folgen lassen konnten, hat uns riesig gefreut. Doch wie es dazu kam, und was uns so fast einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte, lest ihr hier…

Spoiler-Alert: Hier gehts zum Flug auf WeGlide!

Wieso überhaupt diese 1000 km und was motiviert einen dazu? Nun, dafür gibt es einige Gründe. Erstens, 1000 km ist noch niemand ab Amlikon geflogen. Zweitens, am Briefing der Nationalmannschaft mussten wir uns Ziele für die Saison setzen. Dabei habe ich mir diese Challenge auferlegt. Drittens, 1000 km tönt einfach nach viel mehr als irgendeine dreistellige Zahl. Viertens, Kurt Herzog hat bei einem seiner letzten Flüge fast die „magische“ Grenze überschritten mit glaube 982 km in den Alpen? Statt den letzten Kilometern nachzutrauern, hat er ein Goldvreneli ausgeschrieben für den ersten 1000er ab Amlikon. Zur Info: Kurt hatte dazumal schon das erste 300er und später 500er FAI-Dreieck ab Amlikon geflogen! Eine Wahnsinnsleistung mit den damaligen Mitteln. Fünftens, für mich ist das Streckenflug generell: Sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen und sich selber erstaunen, was manchmal am Ende dabei rauskommt.

Genug der Gründe, hin zu der Vorbereitung: Okay, dieses Kapitel könnte ich eigentlich ziemlich kurz fassen – denn besonders war sie nicht. Als ich am Morgen früh auf den Flugplatz fuhr, konnte ich im Zug schon mal das Wetter abchecken: Der Jura ist gleich rausgestochen – da muss es gut sein! Doch mittlerweile ist ein Flug in den Jura schon fast ein Klassiker geworden, was lässt sich sonst so machen? Oh siehe da, wenn man den Pilotenfaktor etwas hochschraubt und die Polaren einer ASH25 nimmt, dann sind ja 1000 km möglich!

Amlikon – Corlier – Stillberghof – Amlikon. Mal naiv einen Screenshot davon an Pascal schicken, ohne das Ganze komplett durchzudenken. So klar ist die Sache aber noch nicht. Die Flugzeugverteilung ist gar nicht so einfach – bei so vielen Flugzeugen und Piloten die fliegen möchten gibt es zu viele Kombinationen. Man will ja auch mal mit anderen Piloten fliegen. Aaaaber, wenns um einen potentiellen 1000er geht, dann wollte ich schon am liebsten mit Pascal gehen. Wir haben das gleiche Ziel, eine ähnliche Einstellung und Ambition, sowie dieselben fliegerischen Erfahrungen. Dies macht es einfach ziemlich entspannt im Flug, gerade wenn man sich abwechselt beim Fliegen oder Entscheidungen treffen muss. Nach ein paar Diskussionen war dann aber klar, dass wir zusammen die ASH nehmen würden. Pascal hinten, da es für ihn vorne zu unbequem ist mit seiner Größe. Hab ich natürlich nichts dagegen!

Am Morgen war es wie immer eher etwas stressig, obwohl wir und schon um 7:30 die Hangartore öffneten. Pascal hatte den Schleppi bereits etwas früher organisiert, einen Flugplan erstellt wegen Frankreich und die Luftraumvorbereitung gemacht. Ich habe die ASH bereit und mit Wasser komplett voll gemacht, die Aufgabe auf WeGlide und das LX9000 geladen und die beiden Batterien eingebaut. So einfach geht das bei unserem Luxus-Hangar! Dann kommt aber noch das andere übliche Krimskrams wie Sonnencreme, Essen, Bekleidung, Pisssäckli, … Irgendwann waren wir dann bereit und wir zogen das Flugzeug an den Start. Auf die Frage von Pascal, wie ich den die Aufgabe jetzt genau ausgeschrieben habe war meine Antwort: “Joo, Amlike, Corlier, Stillberghof, Amlike. Halt tuusig Kilometer…”. Pascal war zu recht verdutzt, ob ich jetzt den mit Amlikon den Abflugpunkt meine. Das bedeutet nämlich, dass wir über Amlikon klinken müssten! Oh schreck, ich habe etwas blauäugig einfach 3 Schenkel ab Amlikon gelegt, die zusammen 1000 km geben, aber nicht berücksichtigt, dass wir in der Regel ja im Raum Singen / klinken… Es zeigte sich aber, dass am Seerücken bereits die ersten Cumulus-Wolken am entstehen waren. So einigen wir uns, dass wir doch wirklich die ausgeschriebene Aufgaben so fliegen, und nicht im Eilgang noch einen Abflugpunkt hinzufügen. Das heisst, direkt über Amlikon klinken, und herausgleiten.

Endlich, um 09:38, zieht uns Martin mit dem Robin hoch auf 1600 m. Schon ein komisches und leicht mulmiges Gefühl, wenn man so früh die super-tiefen Cumulus übersteigt. Wir stechen etwas an, sodass wir 1000 m über der geplanten Ankunftshöhe den Abflugzylinder verlassen. Und danach ist mal für 15 min gemütliches Abgleiten angesagt. Im Wolken-Slalom in Richtung Blumberg kommen wir der Wolkenbasis näher. Soweit sind wir optimistisch, denn es zeichnete ja, und so spät sind wir ja nicht dran. Der Plan mit dem Klinkpunkt Amlikon ist vielleicht sogar ein guter Plan! Die Anfangseuphorie wird aber schnell etwas getrübt. An der Basis angekommen zwischen Schienerberg und Hilzingen auf 1000 m AMSL, also nicht mal 600 m Grund, zeigte sich, dass die Wolken hier fertig sind! Dang, tief, voll mit Wasser, am frühen Morgen mit dem Ziel ins Blaue und ansteigende Gelände zu fliegen? Au weia. Immerhin können wir in einem Null-Schieber die Höhe halten. Wir versuchen ein paar Fätzli aus, doch ziehen und schnell wieder zurück. Und weiter hinten bei Blumberg, sieht man höher eine vernünftige Wolkenstrasse. Ja, wäre unser Klinkpunkt doch nicht in Amlikon gewesen, hätten wir es problemlos dorthin geschafft… Wir bleiben realistisch. Es bleibt uns nur die Option, auf der Höhe ausharren und gelegentlich Vorstösse in Aufgabenrichtung zu wagen. Wir müssen uns nochmals etwas zurückziehen, aber bald schon klappt es dann doch. Es poppen Wölklein auf und wir arbeiten uns über Binningen endlich auf 1400 m.

Yay! Ab jetzt geht’s ab. Ich übergebe Pascal. Ich kämpfe mich nämlich gerne aus den Tiefen heraus und Pascal fliegt super die schnellen Linien. Es ist ein richtiger Kontrast: Im Geradeausflug Richtung Hotzenwald steigen wir im Delfinflug weitere 500 m, jawoll. Der Optimismus steigt wieder, das Wetter passt. Etwas trickreicher ist der Einstieg in den Jura, aber auch das geht relativ gut. Da die Basis noch nicht so hoch ist, müssen wir uns auch nicht um die TMA’s von Basel kümmern. Komisch ist aber, dass die Batterie eher schnell an Spannung zu verlieren scheint. Hm, das Problem hatten wir zu zweit schon mal, als wir die restlichen 150 km von 900 km ohne Bordbatterie fliegen mussten, weil diese offenbar nicht richtig geladen wurde über Nacht. Das soll uns heute nicht passieren. Wir schalten schon mal den Transponder aus. Funken müssen wir zum Glück nicht auf dieser Strecke. Es geht voran, und bald schon erreichen wir die Segelflugsektoren um Genf. Pascal kümmert sich um den Luftraum. So kann ich mich voll aufs Fliegen konzentrieren und auch die Aussicht des neu entdeckten Fluggebiet genießen. Es hat schon einen ganz speziellen Reiz, so weit weg zu kommen nur mit den langen, weißen Schwingen. Flugzeug treffen wir kaum. Auch in den Segelflugräumen, die scheinbar für uns alleine aktiv sind, westlich von Genf.

Wir erwischen eine gute Linie und können ohne viel zu kreisen unseren ersten Wendepunkt, den Flugplatz Corlier, erreichen. Ich habe da per Zufall einen spannenden Flugplatz auf einem Hügel erwischt, bei dem die Piste abfällig aus dem Wald geschnitten wurde. Eigentlich könnten wir noch ein paar Kilometer weiter fliegen, erst dann wird es Blau. Wir sind erfreut über den gut gelegenen Wendepunkt und kehren um – nun ja sogar mit ordentlichem Rückenwind von über 20 km/h! Das bessert unseren Schnitt weiter auf. Vielleicht liegt der 1000er drin, trotz dem schwierigen Start?

Ich schaue wieder mal etwas energisch auf den Spannungsanzeige der Bordbatterie. Hm, ich würde sagen, die ist ordentlich runtergekommen, obwohl wir schon am Sparen sind? Wie kann das sein? Ich habe doch beide Batterien geholt im Keller und in den Flieger montiert? Angeschlossen hab ich doch… offenbar mindestens eine Batterie. Aber die zweite? Ich werde das Gefühl nicht los und frage Pascal etwas beschämt, ob vielleicht nur eine Batterie eingesteckt ist. Die Batterien sitzen ihm im Nacken und er tastet erst das linke Kabel ab. Eingesteckt. Das zweite – oh weia – ich habe es tatsächlich nicht eingesteckt! Was nun kommt, ist eine 10 minütige Yoga Session für Pascals Rücken, Schulter, Arm und Hand. Schließlich springt das Batteriesymbol auf fast vollständig geladen. Poah, das ist fast erlösender, als eine geleerte Blase… Creux du van, Chasseral und schon sind wir wieder südlich der TMA Basel. Dieses Mal aber 600 m höher auf 2400. Basel gibt uns eine Freigabe für ein Crossing. Großzügig, 50 Meter mehr als die TMA – Untergrenze erhalten wir. Naja, nehmen wir, auch wenn es uns im Nachhinein aber mehr abgelenkt als wirklich was gebracht hat. Da ich mich als eher Luftraumophob bezeichnen würde, bin ich froh, kurz vor Olten Richtung Hotzenwald definitiv außerhalb der TMA zu sein. Ab jetzt wird es, wie befürchtet, etwas schwieriger. Es gibt in dieser Region keine Aufreihungen mehr und auch ziehen die angepeilten Wolken eher mäßig. Ungern nimmt man nach dem bisherigen Flug mal 1 – 1.5 m/s Steigen mit. Beim Hotzenwald zeigt uns ein Pulk, dass es für ein paar hundert Meter auch wieder besser steigt, aber leider auch nur bis 1700. Das ist mir etwas wenig. Klar, unser Heading ist grob Donaueschingen, also bald leicht abfallendes Gelände. Das erste Mal werde ich etwas nervöser, als wir dem hügeligen Gelände noch näher kommen und der Wind das Zentrieren eines gescheiten Steigens stark erschwert.

Wir kommen zum Schluss, dass wir nicht ewig hier Zeit verlieren können. Das unterstreicht Pascal auch mit der Bemerkung: “Merksch, wie de Tuuussiger us de Händ gleited?”. Wir entscheiden einfach weiter ins Flache zu gleiten und darauf zu hoffen, dass die prallen, gut aussehenden Wolken vor Donaueschingen schon ziehen werden. Angekommen, übergebe ich langsam auch etwas ermüdet das Flugzeug an Pascal, wobei er geschickt mit einem Arcus M zusammen eine +3 Meter Schlauch zentriert. Dies verstärkt meine Hoffnung, es irgendwie noch zu schaffen, wenn wir bis zum Wendepunkt unseren Schnitt noch verbessern können. Der Rechner spricht aber von einer ETA von 20:30 für die ausgeschriebene Aufgabe – bei erwartetem Steigen von 2.5 m/s. Das ist doch etwas utopisch? Auch dämpft eine Cirren-Schicht nicht nur die Thermik, doch auch leicht unsere Stimmung. Es weiter zu versuchen war für uns beide klar, denn an einem Samstagabend riskiert man auch eher eine Aussenlandung. Doch die Schnittgeschwindigkeit wird sogar noch besser, das liegt aber auch daran, dass wir unter der breiten Wolkenstrasse ab Höhe Schlechtenfeld keine steigende Linie finden und gezwungen sind, eher schnell vorzufliegen…

Wir beginnen zu rechnen und abzuschätzen, wann wir frühestens umkehren können und einen 1000er zu schaffen – unter dem Vorbehalt, wir würden es nach Amlikon schaffen. Rund 30 Kilometer vor der geplanten Wende drehen wir um in den Gegenwind. Auf 1800 m, wobei wir für eine halbe Stunde auf der nun vor uns liegenden Strecke nur abgeleitet sind. Wir beide glauben nicht daran, dass wir es noch nach Hause schaffen würden, zu vieles spricht dagegen. Noch haben wir aber noch Luft zwischen uns und dem Boden. Und siehe da, auf gut 1600 m können wir tatsächlich einkreisen und Höhe gewinnen. Ja, der Schlauch wird sogar besser gegen oben! Wir wissen noch nicht, dass uns tatsächlich nur noch 3 Schläuche fehlen würden, um es nach Hause zu schaffen. Wir wählen nun eine leicht südlichere Linie, welche uns einen guten Gleitwinkel beschert.

Blaubeuren, Hayingen und zwischen Mengen und Leibertingen finden wir nochmals schwache Abend-Thermik. Wir gehen kein Risiko ein und kosten die wohl letzte aufsteigende Luft bis zum Schluss aus. Der Schnitt zählt da nicht mehr – lieber noch ein paar Extra-Meter für eine schnellen letzten Endanflug. Noch kurz bevor wir in diesen übergehen, vibriert die Uhr und verkündet eine Nachricht von Kurt, dass es doch langen würde und er die Vreneli bereit legt!

Nun war entspannen und genießen angesagt. Das ist eben schon gail am Streckenflug: Über lange Zeit kämpft, genießt, taktiert, lacht, optimiert, flucht, erfreut, diskutiert und hofft man – bis einer zum Schluss hoffentlich einen wunderschönen, wohlverdienten Endanflug in der Abendstimmung geniessen kann. Und zu zweit macht es halt einfach noch mehr Laune, ganz nach dem Motto “Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteiltes Glück ist doppeltes Glück”. Damit der Thermik-Gott und auch in Zukunft mit guter Thermik auf dem gesamten Höhenband segnet, darf ein Goldfischli-Opfer nicht fehlen.

Und so reicht die Höhe noch locker für einen Schlenker Richtung Süden und zwei gemäßigte Überflüge kurz vor halb neun, weniger als eine Stunde vor dem Sonnenuntergang. WAS will man mehr? Einfach ja nicht zu kurz landen bei dem am Pistenrand versammelten Empfangskomitee…
Was bleibt noch zu sagen? Ein großes Dankeschön an Kurt für die tolle Aufgabe und natürlich für die überreichten Vrenelis. Auch hat es uns gefreut, wie einige mitgefiebert haben und uns gratuliert haben. An der Stelle kann ich jedem nur empfehlen, sich selber immer wieder individuelle Ziele zu stecken, die erreichbar sind, aber trotzdem auf irgendeine Weise einen herausfordern. Das kann auch ein Flug an den Säntis ab der Winde sein, ein 5-Stünder, ein 100er, ein Flug um den Bodensee, eine Zürich- oder Stuttgart-Umrundung, ein Wandersegelflug oder eine Außenlandung auf einem anderen Flugplatz.  

Und wie geht es denn nun weiter? Die Goldvreneli, die wir von Kurt erhalten haben, sollen für eine nächste spannende Herausforderung dotiert werden. Wie die genau aussehen soll, das sind Pascal und ich noch nicht ganz schlüssig. Eine Idee wäre zum Beispiel ein 1000er FAI Dreieck ab Amlikon. Damit dies aber nicht zu schnell erreicht wird und die im Trend liegenden Turbos, FES, Turbinen und Eigenstarter nicht übermäßig bevorteilt sind, soll ab der Winde gestartet werden. Selbstverständlich gilt der Motoreinsatz als Aussenlandung.

Jonas und Pascal

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